Newsletter 57 – Dezember 2021
Die Staffel ist übergeben!
Ernst ROSE und Hermann BECKE beim Herbstfest am 25. Oktober 2021 in Alt-Grottenhof. Ein berührendes Portrait des langjährigen SEKEM Österreich-Obmanns, das unser Beiratsmitglied Harald A. FRIEDL gestaltete, finden Sie in diesem Newsletter
DANKE HERMANN!
Die Themen dieses Newsletters:
1. Brüder
2. Quais der Gartenhelfer
3. Vergiss nicht, das Leben zu genießen!
Interkultureller Austausch zwischen Europa und Ägypten
4. Am Anfang war die Kunst…
Portrait des langjährigen Obmanns von SEKEM-Österreich Dr. Hermann Becke
5. SEKEM-TAG 2021 in Stuttgart und Treffen der Europäischen SEKEM Freunde mit Helmy Abouleish
Kurznachrichten
1. Brüder
Von Hildegard KRUG-RIEHL
Die Internationale Klasse an der Freien Waldorfschule Graz musste in diesem Sommer geschlossen werden. SEKEM Österreich möchte das Projekt nun auf andere Weise weiterführen. Wie Sie unserem letzten Newsletter entnehmen konnten, besuchen die jüngeren Brüder von Hamid, einem Absolventen der Internationalen Klasse, erfolgreich die 4. und 8. Klasse der Waldorfschule Karl Schubert Graz. Das Schulgeld wird durch Sekem Oesterreich (mit)finanziert. Hildegard Krug-Riehl, die langjährige ehrenamtliche Lehrerin der Internationalen Klasse und österreichische Patin der beiden Brüder Rohid und Erfan, hat in diesen Tagen unserem Obmann Ernst Rose folgenden Bericht erstattet.
Lieber Ernst,
Ein paar Neuigkeiten zu Rohid und Erfan Hamidi: beide gehen nach wie vor sehr gerne in die Schule und ihre Lehrer bescheinigen, dass sie gute Fortschritte machen und in ihren jeweiligen Klassen ausgezeichnet integriert sind, vor allem auch dank ihres sportlichen Engagements: Rohid ist als Fußballer sehr gefragt – obwohl er immer noch am liebsten ein Cricket Profi werden würde! – und Erfan ist einfach mit großer Freude vollem Einsatz bei allen Ballspielen dabei, am liebsten als Tormann. Rohid bemüht sich sehr, die derzeitige Kunstgeschichte Epoche in der 9. Klasse gut mitzumachen – für ihn ist alles neu, doch seine Zeichnungen, die den prähistorischen Höhlenmalereien nachempfunden sind, können sich durchaus sehen lassen (siehe Foto). Mit seinem Übersetzungsprogramm am Handy kann er auch schwierige Wörter und Sätze verstehen und lernen. An zwei Nachmittagen pro Woche lernte er im HKU (dem handwerklich-künstlerischen Unterricht) in der letzten Epoche mit dem Computer umzugehen, was sich für seine ganze Familie als sehr hilfreich erweist.
Erfan war in der letzten Mathematik Epoche vorübergehend in der 2. Klasse und konnte dort seinem Niveau entsprechend mitlernen. Inzwischen erhält er auch 1x pro Woche eine extra Mathe Förderstunde. Derzeit beteiligt er sich mit Freude an der Deutsch Epoche und übt Sätze mit verschiedenen Satzzeichen. Als ich die Familie gestern besuchte, zeigte er mir mit großem Stolz seine Kreuzsticharbeit, die demnächst zu einer Tasche verarbeitet wird (siehe Foto) und die von seiner Lehrerin sehr gelobt wurde! Er wollte gar nicht mehr aufhören, mir von der Schule, seinen Lehrerinnen und Lehrern, die er alle als sehr lieb beschrieb, und seinen Freundinnen und Freunden zu erzählen – sein Deutsch wird erkennbar besser und sein Wortschatz umfangreicher.
Auf Anregung der Klassenlehrerin ist nun für beide Burschen eine Heileurythmie Epoche geplant, damit sie noch besser hier ankommen und ihren Nachholbedarf auch in Bewegungsabläufen und beim Lernen leichter bewältigen können. Wenn diese zusätzliche Leistung auch von SEKEM Österreich übernommen werden könnte, wäre das eine großartige Hilfe! Im Namen von Erfan und Rohid bedanke ich mich auch sehr, sehr herzlich für die weiterhin großzügigen Spenden für das Schulgeld der beiden – sie nützen es bestens!
Eine schöne Adventzeit und liebe Grüße,
Hildegard
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Erfan und Rohid Hamidi, denen Sie mit Ihren Spenden den Schulbesuch ermöglichen
Auch der Vorstand von SEKEM Österreich dankt allen, die mit ihren Spenden dieses Werk der Menschenliebe möglich gemacht haben. Volker Mastalier und Hermann Becke schreiben in ihrem Bericht zur Internationalen Klasse im Oktober-Newsletter: Eine Fülle von Erfahrungen bleibt in allen Beteiligten lebendig, und darin liegen auch schon greifbare Zukunftskeime. Zukunftsträchtig ist nur das Unvollendete, auf Erfolgen kann man sich nicht ausruhen.
Deshalb arbeiten wir weiter und ersuchen Sie herzlich um Ihre Unterstützung.
Spendenkonto des Vereins:
Bank für Kärnten und Steiermark,
IBAN: AT17 1700 0001 8100 0341,
BIC: BFKKAT2K
Um sofort online zu spenden, klicken Sie bitte hier:
Internationale Klasse – SEKEM Oesterreich
https://altruja.de/spende-sekem-oesterreich/spende
2. Quais
Von Diandra WOLFGANG
Es ist gelungen, Quais, Absolvent der Internationalen Klasse 2020/21, als “Gartenhelfer und Kulturvermittler” in der Freie Waldorfschule Graz anzustellen. Die Gartenbaulehrerin schreibt über ihn: Die meisten Fotos und Beschreibungen von Quais im Schulgarten zeigen ihn beim Kompost. Das hat seinen Grund. Beim Kompost wird in fast jeder Gartenbaustunde gearbeitet. Es ist der Ort, der stets im Bewusstsein ist, da von dort die Lebendigkeit des Gartens ausgeht. Für unsere Schüler*innen birgt der Kompost ein großes Lernpotential. Das Verständnis für den unschätzbaren Wert einer lebendigen Komposterde für den Garten kann im Unterricht langsam wachsen, sie wissen, weniger Arbeit macht es, das organische Material über die Biotonne zu entsorgen. Wir möchten mit unserem Tun den Lebensstrom fördern und entscheiden uns für einen anderen Weg. Es braucht Zeit und viele Arbeitsschritte, bis aus den anfallenden organischen Materialien ein wunderbar nach Walderde duftender Kompost wird. Durch Quais‘ Unterstützung bekommt der Kompost den notwendigen Stellenwert im Garten ohne, dass die Schüler*innen das Gefühl haben, immer nur beim Kompost zu arbeiten. Wir sind sehr dankbar, dass Quais uns dabei unterstützt.”
Übrigens: Der Kompost ist das Lebenselixier, um die Wüste zu begrünen. Kompostieren ist jene „Wissenschaft“ in der es SEKEM Ägypten zur Meisterschaft gebracht hat. Hier finden Sie die Impressionen unseres Redaktionsteam-Mitglieds Diandra Wolfgang von
Quais, dem Gartenhelfer
Durch das SEKEM Österreich Nachfolgeprojekt der Internationalen Klasse wurde Quais, der Gartenhelfer, erfolgreich an der Freien Waldorfschule Graz angestellt. Er ist mit seiner freundlichen und lernbegierigen Art aus den Schularten schon nicht mehr wegzudenken.
Durch sein Arbeiten erfahren alle internationalen Austausch in Kultur und Sprache, aber auch das biologisch-dynamische Wirtschaften wird fleißig weitervermittelt.
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Es wird gemeinsam kompostiert, gegärtelt und verarbeitet. Integration vom Feinsten. Genauso, wie es dem SEKEM-Impuls entspricht.
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Wir danken dem Forum Zivilcourage – Spendenparlament Steiermark und allen unseren Spendern und Spenderinnen! Vom Forum erhielten wir vor einigen Tagen eine großzügige Förderung für unsere “Sprungbrettstelle”. Wir widmen diesen Bericht daher seinem Präsidenten, Heinz Herper, und seiner Stellvertreterin, Brigitte Oberzaucher, sowie allen unseren UnterstützerInnen.
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3. Vergiss nicht, das Leben zu genießen!Interkultureller Austausch zwischen Europa und Ägypten
Von Leandra WAGNER
In unserem letzten Newsletter haben wir darüber berichtet, wie die beiden ägyptischen Studenten Marwan und Ahmed ihr Sommersemester in Graz verbracht haben. Diesmal wird es noch bunter: Während die beiden Ägypter Ende September in ihre Heimat zurückkehrten, traten sechs andere junge Menschen die Reise ins Unbekannte an.In der letzten Graz-Woche von Marwan und Ahmed kamen zwei weitere Heliopolis-Studenten nach Österreich. Youssef und Omar machen momentan ein Austauschsemester in den Niederlanden, haben sich jedoch ein paar Tage Zeit genommen, um nach Graz zu kommen. Bei ihrem dreitägigen Aufenthalt durften das Erklimmen des Schlossbergs, eine Führung in der Zotter Schokoladenfabrik und eine Brettljause bei einem typisch-steirischen Buschenschank natürlich nicht fehlen! Alles in allem hat ihnen ihr kurzer, aber ereignisreicher Ausflug sehr gut gefallen und sie freuen sich darauf, in Zukunft wieder einmal vorbei zu kommen.Auf der anderen Seite des Mittelmeeres gibt es in diesem Semester endlich wieder Europäische Austauschstudenten an der Heliopolis Universität – auf Grund von Corona war diese Art von Austausch im letzten Jahr nicht möglich. Umso schöner ist es darüber berichten zu können, dass sich seit September eine österreichische sowie drei deutsche StudentInnen der Herausforderung stellen, ein Auslandssemester in Kairo zu absolvieren. Mittlerweile haben sich die vier gut eingelebt und werden tagtäglich besser darin, die wichtigste Lektion des ägyptischen Alltags zu lernen:
Egal, was um einen herum passiert, man darf niemals vergessen, das Leben zu genießen und sich ab und an auch mal eine Pause zu gönnen!
In diesem Sinne freut es mich sehr, dass der interkulturelle Austausch zwischen Europa und Ägypten trotz anhaltender Corona-Pandemie wieder stattfindet. Die Erlebnisse und Erfahrungen, die man durch solche Gelegenheiten sammelt, sind unersetzlich – sie begleiten einen das ganze Leben und erweitern den Horizont auf einzigartige Art und Weise.
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Kairo (vor dem neuen Ägyptischen Museum von links nach rechts) Marina, Edina, Sonja, Johannes, Lea und Dr.in Inas. |
Am Grazer Schlossberg (von links nach rechts) |
4. Am Anfang war die Kunst…Portrait des langjährigen Obmanns von SEKEM-Österreich Dr. Hermann Becke
Von Harald A. Friedl
Mit Hermann Becke ein Gespräch zu führen ist wie in die dynamische und vielschichtige Welt von SEKEM selbst einzutauchen. Denn der Jurist und langjährige Direktor der Grazer Universität für Musik und darstellende Kunst in Ruhestand vermittelt im Gegensatz zu seiner äußeren Gelassenheit eine Persönlichkeit, die aufgrund ihrer vielfältigen Interessen und Engagements innerlich vor Ideen sprüht. Will man dem „Phänomen Becke“ somit einigermaßen gerecht werden, empfiehlt sich ein Schritt zurück zum Anfang.Der 1944 in Graz geborene Hermann Becke hatte zunächst eine Karriere als Rechtsanwalt verfolgt, nachdem er zuvor auch eine Ausbildung zum Übersetzer für Französisch und dann noch ein Kunststudium, u.a. über Liedinterpretation, an der „Musikhochschule“ in Graz abgeschlossen hatte. Damit wäre vielleicht die Basis für eine Karriere als internationaler Konzertsänger gelegt gewesen. Doch damit hatte sich Becke nicht zufriedengegeben, vielmehr führte ihn seine Begeisterung für die Welt der schönen Künste sehr bald wieder ans hohe Haus der akademischen Kunst zurück, wo er studierte hatte, um dort mit 27 Jahren dessen erster Verwaltungsdirektor zu werden und um dann auch durch viele Jahre Theater- und Vertragsrecht sowie Urheber- und Verlagsrecht zu lehren.
Die Ganzheit in der Vielfalt
Normale Menschen würden wohl den Kopf darüber schütteln, wie ein Mensch so viele, scheinbar konträre Talente und Aktivitäten unter einem Hut vereinen könne, ohne dabei verrückt zu werden. Wer allerdings mit der Philosophie der Nachhaltigkeit, insbesondere aber mit den Prinzipien von SEKEM vertraut ist, empfindet den solcherart weitgespannten Horizont eines Menschen eher als inspirierende Ausprägung einer schlichten Notwendigkeit für ein gelingendes Dasein: Nämlich das Leben in seinen unterschiedlichen Facetten und Herausforderungen als Ganzheit zu erfassen, zu bewältigen und zu kultivieren.So liegt etwa die Verknüpfung von Recht und Kunst bei näherer Betrachtung geradezu auf der Hand, geht es doch darum angehende KünstlerInnen über ihre Rechte und Pflichten zu informieren und damit jene Menschen, die solch „Banalitäten“ wie Vergütungen und Versicherungen gerne beiseitelassen, im Berufsleben vor etwaigen Benachteiligungen zu schützen. Für Becke bedeutete dieser Zugang problemorientierte, lebensnahe Bildung, die auf Kompetenzstärkung anstelle von „Wissensvermittlung“ zielt. Dieser besondere Zugang, Menschen in der Entfaltung ihrer Lebenskultivierungskompetenz zu stärken, erscheint hier als ein Roter Faden, der zuerst zu den Waldorfschulen führte. Er wirkte maßgeblich beim Aufbau der Freien Waldorfschule Graz mit und war mehrere Jahre Vorstandsmitglied des Österreichischen Waldorfbundes, was letztlich zu SEKEM führte. Und eine weitere Qualifikation im Theoretischen wie Praktischen hatte sich Becke im Hinblick für sein Wirken bei SEKEM durch seine vierjährigen Funktion als erster Vizerektor für Ressourcenmanagement erworben: die untrennbare Verknüpfung von Bildung mit praktischen Problemen, um dabei nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Im Jahre 2000 war er erstmals in SEKEM und gründete im Jahre 2004 gemeinsam mit Ernst Rose den gemeinnützigen Verein SEKEM Österreich.Will man das Bild der komplexen Persönlichkeit des Hermann Becke als schlüssiges Ganzes erfassen, so setzt man sich am besten gemeinsam mit einem imaginierten Platon ans Lagerfeuer und fragt nach den wahren Bedeutungen von Schlüsselbegriffen des modernen Daseins: Was genau bedeutet Erziehung in einer sich rasch wandelnden Welt, in der das Wissen von gestern in naher Zukunft bereits falsch sein kann? Was bedeutet nachhaltige Entwicklung in einer Welt, in der die eine Seite krank vor Überfluss ist, während die andere Seite mühsam darum ringt, über die Runden zu kommen? Was bedeutet Wüste?
Die Begegnung mit dem Orient…
Im Fall der Wüste führte Becke sein Ringen um Welt- und Begriffsverständnis vor rund zwanzig Jahren zu den ägyptischen Wirkungsstätten von SEKEM, wo er voller Erstaunen gewisse ähnliche Muster aus dem Waldorf-Umfeld wiederzuerkennen meinte: die gepflegten Gärten, der sorgsame Umgang der Menschen miteinander… Diese Wirkungsstätten des Ibrahim Abouleish berührten und bewegten Becke so sehr, dass er in den Folgejahren regelmäßig Reisen für Vereinsmitglieder nicht nur nach SEKEM, sondern auch zu den Wüstenfarmen von SEKEM organisierte, an Orte, wo aus der Kraft einer Vision und der beharrlichen Behutsamkeit erst gepflanzter Kasuarinen-Bäume gediehen, und bald ganze Oasen entstanden, Orte, die gesamtheitliche Bildung zum Ausdruck brachten. In einem Islam-Seminar mit Ibrahim Abouleish hatte dieser die erste Sure mit dem Wort „Lies!“ übersetzt, aber als „Bilde Dich!“ interpretiert. Das Wesen eines gelingenden Lebens liege darum in einer ständigen Auseinandersetzung mit sich und der Welt, um adäquate Formen des Umgangs mit eben diesen beiden Welten – mit der Außenwelt wie auch der eigenen Innenwelt – zu finden und zu entwickeln, ein Leben lang.In seinen Erinnerungen an Ibrahims Abouleishs Bildungsvisionen erwähnte Becke seinen eigenen anfänglichen Zweifel an dem Projekt der Heliopolis-Universität, weil er als Jurist die zahlreichen Hindernisse zu sehen meinte. Erst später, als Ibrahim Abouleish dieses einzigartige Projekt einer Privatuniversität bei der ägyptischen Regierung in den turbulenten Zeit des Arabischen Frühlings durchgebracht hatte, begann Becke sich für das geniale Konzept dieser Universität zu begeistern. Denn in Anlehnung an die alten, humanistischen Traditionen stehen im Zentrum dieser akademischen Ausbildung künstlerische und geisteswissenschaftliche Kernfächer anstelle der Spezialisierungen, wie es heute in Europa typisch ist. Eine Universität habe jedoch die Aufgabe Menschen in ihrer Ganzheit zu erweitern und zu vervollkommnen und nicht auf wenige Expertise zu reduzieren. Denn letztlich gehe es um Emanzipation, nicht um die Schaffung von Abhängigkeiten.In diesem Sinne sieht Becke in der SEKEM-Universität, in deren Board er bis zuletzt als Mitglied mitwirken durfte, eine konsequente Umsetzung jener Überzeugung, wonach das beste Mittel gegen Überbevölkerung, Unterernährung und Migration der gezielte Aufbau von Bildungs- und Entwicklungsstrukturen vor Ort in Ägypten sei, um qualitativ tragfähige Jobs zu schaffen, aber auch eine Lebenskultur, die einen Ausstieg aus einer ewigen Kette von Abhängigkeiten ermögliche.Ägypten und die Begegnung mit den kulturellen Schätzen dieser einstigen Hochkultur, aber auch mit dem spirituellen Zauber der Wüste fesselte Becke über viele Jahre hinweg. Sein besonderes Anliegen war dabei die Gemeinsamkeiten zwischen Orient und Okzident zu erfahren. Vieles hatte Becke dabei vom großen Orientalisten Dr. Bruno Sandkühler profitieren können, einem profunden Kenner Ägyptens, der Beckes Reisegruppen viele Male zu den Königsgräbern und den altägyptischen Kunstschätzen begleitet hatte. Heute blickt Becke mit gewisser Wehmut auf diese Erfahrungen zurück. Im Herbst 2019 hatte er seine letzte Reise mit Bruno Sandkühler unternommen, eine Fahrt mit dem Segelschiff am Nil von Luxor bis Assuan. Danach hatte er seine Berufung als Reiseleiter aus Altersgründen aufgegeben und diese Verantwortung an das Reisebüro Oliva übergeben, das diese Reisen in Hinkunft organisieren wird, sobald es Corona wieder zulässt.
Keine nachhaltige Entwicklung ohne Kunst
Im Blick zurück tauchen zahlreichen Erinnerungen an großartige Momente auf, etwa an die legendäre Rede von Ibrahim Abouleish zum Thema „Keine nachhaltige Entwicklung ohne Kunst“ im Jahr 2014. Damals feierte SEKEM Österreich seinen 10-jährigen Bestand mit einer großen Veranstaltung an der Kunstuniversität zum Thema „Kunst und Nachhaltige Entwicklung“. Ibrahim Abouleish hatte damals seinen Zuhörern die engen Verbindungen zwischen den Bereichen Recht, Wirtschaft, Kultur und Ökologie vor Augen geführt, die miteinander in ein Gleichgewicht zu führen seien – als unverzichtbare Bedingung für das Gelingen einer nachhaltigen Entwicklung. Einen kleinen Schritt in Richtung dieses Gleichgewicht setzte damals der Grazer Bürgermeister Nagl. Im Zuge eines Besuchs bei ihm hatte er Ibrahim Abouleish gefragt, was denn Graz für den Austausch zwischen Österreich und der arabischen Welt tun könne. Daraufhin entstanden die Idee und bald darauf die gute Tradition von Grazer Stipendien für Studierende der Heliopolis-Universität an der TU Graz…Hermann Becke pflegte schon in SEKEM gerne den Austausch mit ägyptischen Jugendlichen, was ihn schon nach Antritt seiner Pension im Jahre 2008, dazu bewogen hatte, ein Arabischstudium zu beginnen – als einziger alter Studierender unter zahlreichen vielen jungen Menschen. In einer der ersten Lektionen unterrichtete der ägyptische Lektor, wie ein junger Mensch einen alten Menschen im arabischen Kulturraum respektvoll zu begrüßen habe: Dazu dürfe der junge Mensch wohl die Hand geben, aber keineswegs dem alten Menschen in die Augen blicken. Diese Lektion berührte Becke zutiefst, weil er erst jetzt, viele Jahre nach seinem ersten SEKEM-Besuch das Donnerstag-Ritual von Ibrahim Abouleish in der Sekem-Oase in all seiner humanistischen Tragweite zu begreifen begann:Damals hatte Becke beobachtet, wie die unzähligen Menschen am Donnerstag, dem Ende der muslimischen Woche im Sekem-Wochenkreis, zusammenkamen, von ihren Erlebnissen erzählten und sodann, als sich die Versammlung auflöste, an Ibrahim Abouleish vorbeigingen, ihm die Hand reichten und ihm in die Augen blickten… Becke hatte diese Geste ursprünglich als befremdlich, ja „pharaonenhaft“ empfunden. Erst jetzt, durch seinen Arabisch-Kurs, hatte er diese Kulturleistung von Ibrahim Abouleish verstehen gelernt, mit der er „Augenhöhe“ herstellte und damit die Individualität von einfachen Menschen stärkte. Bildung liegt in jedem Moment der menschlichen Begegnung.Hermann Becke hat vieles in seinem regsamen Leben bewegt, entwickelt und verändert. Bei allem war ihm stets eines wichtig: die geordnete Übergabe seiner Agenden. Auf diese Weise hatte er seine Tätigkeit in der Waldorfbewegung beendet, und so hat er auch nun die Verantwortung für SEKEM-Österreich an die nächste Generation übergeben. Mit 77 Jahren könne er die operativen Tätigkeiten ruhig anderen überlassen. Denn auch das ist Bildung: das Erlernen der hohen Kunst des Loslassens…
5. SEKEM-TAG 2021 in Stuttgart und Treffen der Europäischen SEKEM Vereine mit Helmy Abouleish
Von Andrea Cramer
Von links nach rechts: Ernst Rose, Andrea Cramer, Friedl Becke, Waltraud Bandel, Hermann Becke (im Hintergrund Helmy Abouleish im Gespräch mit Roland Schaette, dem Obmann der SEKEM-Freunde Deutschland
Unter dem Motto Zukunft TUN, Mensch SEIN fand am 2. Oktober 2021 nach einjähriger pandemiebedingter Pause wieder der SEKEM-Tag in Stuttgart statt. SEKEM Österreich war durch zwei „neue alte“ und zwei „alte“ Vorstandsmitglieder vertreten. Im Mittelpunkt der Tagung stand bei den sich zuspitzenden globalen Krisen immer wieder die Frage an den Einzelnen: Was kann ich tun? Was soll ich tun? Wie kann man das volle menschliche Potenzial ausschöpfen, über das wir noch so wenig wissen?
In besonders bemerkenswerter Weise legte Helmy Abouleish in seinem Vortrag dar, wie SEKEM diese Fragen für sich selbst bereits heute beantwortet hat. Er präsentierte eindrucksvoll die Fortschritte, die SEKEM in Ägypten schon jetzt durch beharrliche Umsetzung der Visionsziele 2017 – 2057 aufweisen kann. Bitte entnehmen Sie näheres dazu unter https://www.sekem.com/de/mut-zum-wagnis-mut-zum-menschsein-sekem-tag-2021/
Tags darauf, am 3. Oktober 2021, fanden ausführliche Gespräche und Beratungen zwischen Helmy Abouleish und den Vorständen der Sekemvereine von Deutschland, Österreich und aus den Niederlanden an der Freien Hochschule in Stuttgart statt. Sie standen unter einem guten Stern und gleichsam unter dem Schutz der altägyptischen Göttin Maat. Zu Beginn war nämlich Hermann Becke, der scheidende Obmann von SEKEM Österreich, von Helmy Abouleish namens der Sekemgemeinschaft für seine langjährige Tätigkeit gewürdigt und bedankt worden. Ihm wurde eine (von Helmy persönlich über Stock und Stein an den tausende Kilometer entfernten Zielort transportierte) Maatstatuette samt den guten Wünschen des Sekem-Zukunftsrats überreicht.
Im Zuge dieses Treffens wurde in der Folge gleich noch Erstaunlicheres klar: SEKEM will kein Leuchtturm mehr sein. Vielmehr soll die Strahlkraft des SEKEM-Wunders in der Wüste in die Welt getragen werden, indem der ganzheitliche SEKEM-Ansatz unter folgender Prämisse verbreitet wird: Es ist vor allem die eigene geistige Arbeit, die einen Systemwandel möglich macht. In diesem Sinne lädt SEKEM andere ein, sich ebenfalls mit seinen Zukunftszielen zu beschäftigen und die SEKEM-Vision, die damit verknüpft ist, als Botschafter und Botschafterinnen in die Welt zu tragen.
SEKEM Österreich möchte die Herausforderung annehmen und überlegen, an welchen Kreuzungspunkten der unterschiedlichen Ebenen wir unseren Beitrag hierzu leisten können. Wir danken den SEKEM-Freunden Deutschland für die herzliche Aufnahme und die perfekte Organisation dieser spannenden Veranstaltung, aus der wir wichtige Impulse für die eigene Arbeit mitgenommen haben.
Wir halten Sie auf dem Laufenden.
KURZNACHRICHTEN – SHORTCUTS
BEGEGNUNG ORIENT/OKZIDENT VON JUGEND AN
Ein Vorschlag von SEKEM Österreich, junge Menschen verstärkt mit dem SEKEM-Impuls vorort in Ägypten in Kontakt zu bringen, wurde anlässlich des Europäischen Vereinstreffens in Stuttgart Anfang Oktober (siehe Bericht) bereits einhellig gut aufgenommen. Es gibt zwar noch praktische Hürden, die zu überwinden sind, dennoch besteht auch der Wille, in diesen Bereich Personalressourcen zu investieren. Benötigt wird insbesondere jemand, der die Jugend in SEKEM betreut. Angedacht wird ein Pilotprojekt mit fünf SchülerInnen und einem/einer Erwachsenen. Hier wird in Erfahrung gebracht, wie ein Setting aussehen könnte, damit die Initiative ins Leben treten kann.
DIE NACHFOLGEPROJEKTE ZUR INTERNATIONALEN KLASSE WERDEN WAHRGENOMMEN
Ein großes DANKESCHÖN an HERMES-Österreich (www.hermes-oesterreich.at) für die Publikation des Berichts über den aktuellen Stand unserer Nachfolgeprojekte der Internationalen Klasse. Bitte helfen Sie alle bei der Finanzierung mit! Die Spenden sind steuerlich absetzbar – DANKE!!
SCHULE IN DER WÜSTE
Hier Fotos aus der neuen SEKEM-School in Wahat (Baharyia) -thanks to Khaled Khalifa! Auch dort sind wir für jede Hilfe aus Europa dankbar – Näheres siehe: https://deutschland.sekem.com/…/schule-in-der-wueste/
Kooperation mit der Karl-Franzens-Universität Graz
Wir können von einer sehr erfreulichen Kooperation mit Frau Prof.in Ulli Gelbmann (Global Studies) von der Karl-Franzens-Universität Graz berichten. Vier ihrer Studierenden beteiligen sich im Rahmen eines Praktikums an einem Nachfolgeprojekt für die Internationale Klasse. Danke!
Sekem Sophia Symposium
Wieder interessante Neuigkeiten aus SEKEM: “We have daily highlights, but the special one was the Sekem Sophia Symposium with a group of entrepreneurs from Russia. After sharing and eating bread and salt together – a Russian custom – the relationship was founded and we are looking forward to having a new Sekem friends organisation in Russia – see the picture:”
Interview über SEKEMs Nachhaltigkeitsansatz
Lesen Sie ein spannendes Interview mit Maximilian Abouleish-Boes, Ph.D., Leiter der Abteilung für nachhaltige Entwicklung unter https://www.sekem.com/de/interview-ueber-sekems-nachhaltigkeitsansatz/?fbclid=IwAR0Efs5uuY2TG0kDogFdNCXVf8ha6jwMtJXKt2vGliwYvUnklHkvaaJXeJE
Heliopolis Universität arbeitet seit kurzem zu 100% mit erneuerbarer Energie
Vor kurzem konnte die Heliopolis University for Sustainable Development (HU) verlauten lassen, dass sie als erste ägyptische Universität mit 100% erneuerbarer Energie arbeitet. GRATULATION!! Entnehmen Sie Näheres unter https://www.sekem.com/…/heliopolis-university-operates…/
Frohe Weihnachten!
Wünscht Euer/Ihr Redaktionsteam von SEKEM-Österreich