SEKEM-Österreich pflanzt Bäume in der Wüste – und erlebt Erstaunliches!
Dreizehn Mitglieder von SEKEM-Österreich besuchten heuer in der Zeit vom 20. bis 28. März 2016 SEKEM. Zusammen mit Gästen aus vielen anderen Ländern wohnten wir zuerst im wunderschönen Gästehaus auf der Stammfarm und erlebten vier erfüllte Tage. Wir wurden durch die rapid wachsende Heliopolis-Universität geführt, bekamen dabei auch eine Kostprobe des musikalischen Core-Programms unter der kundig-munteren Leitung von Marko Skorin, dem kroatischen Chordirigenten aus Österreich; wir erlebten Touristisches – denn wenn man sich in der Kairoer Gegend aufhält, sind Ägyptisches Museum sowie die Pyramiden von Gizeh und Sakkara ein unbedingtes Muss und bewegen immer wieder von neuem. Wir besichtigten die einzelnen SEKEM-Firmen auf der Hauptfarm und waren gemeinsam mit dem österreichischen Botschafter Gäste des großen SEKEM-Frühlingsfestes, einem der beiden großen Jahresfeste in SEKEM, bei denen sich die ganze Belegschaft und viele Besucher zu vielfältigen Vorführungen im wunderschönen Sand-Amphitheater treffen.
Dann aber fuhren wir sozusagen zurück in die SEKEM-Geschichte und besuchten – weit im Süden – die SEKEM-Farm bei Minya, die uns eine frühe Pionierphase der Initiative vor Augen führte. Dort wollten wir auch ein Zeichen setzen und selbst aktiv Hand anlegen. Und was ist symbolträchtiger als einen Baum zu pflanzen?! Darüber soll hier genauer berichtet werden.
Minya liegt im fruchtbaren Niltal, an der Grenze zwischen dem Unter- und Oberägypten der Pharaonenzeit, also an einer ehemaligen Schnittstelle des Reiches. In der Nähe von Minya erwarb SEKEM vor einigen Jahren ein 18 km langes Wüstental. Man muss sich das so vorstellen: Sobald man das grüne Niltal verlässt, befindet man sich übergangslos in der gänzlich vegetationslosen Wüste und damit auch in der totalen Einsamkeit. Dramatische felsige Hügelketten werden hier von fossilen Flusstälern, den Wadis, durchzogen, die auch ihre ferne geologische Vergangenheit als Meeresgrund nicht verleugnen können. Ein solches 18 km langes Wadi erwarb SEKEM vor einigen Jahren mit dem Ziel, dort eine weitere Farm zu errichten. Darüber gibt es in SEKEM-Insight einen ausführlichen und auch heute noch lesenswerten Beitrag aus dem Februar 2012. Wie ein grünes Band ziehen sich heute die ersten Felder in das Wüstental hinein.
Bevor Wüstenbegrünung in Angriff genommen werden kann, besteht der wichtigste Schritt – nach dem Bohren eines Brunnens – darin, Baumreihen zu pflanzen. Denn Sandstürme sind gar keine Seltenheit, vielleicht fast so häufig wie bei uns der Föhn, und im ungeschützten Gelände bleibt bei so einer Wetterlage kein Sandkorn auf dem anderen. Wie wir wissen, schafft es der Wüstensand bei Südwind ja manchmal sogar bis in unsere europäischen Breiten. Baumreihen bieten da den überlebensnotwendigen Windschutz für jegliche Pflanzungen. Die ideale Sorte dafür ist die Kasuarine, ein aus Australien stammender, etwas urweltlich anmutender Baum, eine schnellwachsende Überlebenskünstlerin, die es auch mit salzhältigem Boden aufnimmt.
Bei Kilometer 7 des Wadis befand sich unser Einsatzort. Unter den wachsamen Augen des lokalen Farmleiters und der geduldigen Leitung von Angela Hofmann, der langjährigen landwirtschaftlichen Koordinatorin SEKEMs und von uns allen hochgeschätzten Reisebegleiterin, Dolmetscherin und Auskunftserteilerin waren zwischen einem Kamille- und einem Sonnenblumenfeld zwei Reihen Kasuarinen zu pflanzen.
Wir waren voller Tatendrang, aber – wir sind ja in Ägypten – trotz erfolgter Anweisung von Angela Hoffmann waren weder die Pflanzen da, noch gab es irgend ein Arbeitsgerät. So wurde fürs erste unser Arbeitseifer auf das am Feldrand und teilweise auch im Kamillenfeld üppig wuchernde gelbe Unkraut (Gemeines Kreuzkraut) umgelenkt. Das harmlos aussehende, aber recht lebenskräftige Blümchen beeinträchtigt die Kamillenernte empfindlich und soll möglichst vor dem Aussamen entfernt werden. Und im sandigen Boden kann sich auch das hartnäckigste Unkraut dem einfachen händischen Herausziehen nicht widersetzen.
Als dann der Traktor mit den Pflanzen und immerhin zwei Heindln (wie wir Österreich zu Hacken sagen) endlich eingetroffen war, legten sich unsere Jungen und Junggebliebenen augenblicklich ins Zeug. Schnell waren zwei etwa 150m lange, eng nebeneinander verlaufende Furchen geschaffen und rasch wurden die Kasuarinen-Setzlinge – jeweils im Abstand von einem Meter versetzt – gepflanzt. Jene, die nicht mit dem Bringen der auf einem Traktoranhänger bereitgestellten Kasuarinen-Setzlinge und dem Einsetzen beschäftigt waren, widmeten sich inzwischen weiterhin dem Gemeinen Kreuzkraut oder sammelten den durch den ständigen Wind angetriebenen Plastikmüll ein.
Das Einsetzen der Pflänzchen ging schnell, es bedurfte diesmal keiner Kompostbeigabe (wie im Vorjahr in Bahariya), weil sich durch die Kamillen- bzw. Sonnenblumenfelder schon eine kleine Humusschicht gebildet hatte. Wichtig war selbstverständlich, dass in die Gräben die vorbereiteten Wasserschläuche gelegt wurden, damit die kleinen Bäumchen ausreichend Wasser erhalten. Man kann sich kaum vorstellen, dass „unsere“ Bäumchen in einem Jahr bereits eine Höhe von 1,80m oder mehr haben werden.
Eine zweite Doppelreihe wurde noch begonnen, aber inzwischen war es Nachmittag und ziemlich heiß geworden, sodass wir uns entschlossen, zum – jetzt leer stehenden – Farmgebäude aufzubrechen, um dann auf dem Vorplatz in etwas erhöhter Lage mit Blick auf das Tal zu jausnen.
Vorher ereignete sich aber noch Erstaunliches: Wie auf unserer gesamten Reise waren wir auch diesmal ständig von mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten begleitet – Ägypten sorgt sich um seine wenigen Touristen und begleitet jede größere Gruppe aus Sicherheitsgründen. Unsere – manchmal etwas überbetulichen und sich mitunter sicher sehr langweilenden – Schatten verfolgten zunächst etwas ungläubig unser Tun: Da kamen doch tatsächlich Menschen aus Mitteleuropa, um hier in der Wüste mit heftigem Eifer und in Windeseile Bäume zu setzen. Dazu muss man sagen, dass das Gartenarbeiten den meisten Arabern aus verständlichen – historischen und geografischen – Gründen nicht gerade im Blut liegt. (Landwirtschaft ist eine ur-ägyptische Tradition). Mit der Zeit entspannten sich aber die Herren. Sie fotografierten uns aufmerksam, einer von ihnen half sogar beim Ordnen der Plänzchen auf dem Traktoranhänger.
Vor dem Aufbruch erklärte dann unser seit langem bewährter Chauffeur, der gute Said, plötzlich, er wollte doch auch noch schnell ein Bäumchen setzen, in den begonnenen Graben. Und dann kam Bewegung in unsere kriegerisch anmutenden Begleiter. Der Captain der Polizisten griff Saids Gedanken auf: Er wollte jetzt auch noch schnell einen Baum setzen. Andere folgten ganz animiert.
Natürlich freuten wir uns und ließen die einsatzfreudigen Polizisten gerne gewähren! Auch wenn sie sich nicht wirklich an das vorgesehene Setzkonzept halten (konnten). Aber was tuts, wenn ein paar Bäume in etwas chaotischer Ordnung dem Wind trotzen werden… Die Liebe zählt!
Nachdem also die Polizisten ihre Bäumchen eingepflanzt hatten, erklärten sie uns – Gott sei Dank hatten wir Angela Hofmann als unsere Dolmetscherin! – , dass jeder Muslim ermuntert ist, einen Baum zu pflanzen, der anderen Menschen nutzt. Deshalb wollten auch sie – und nicht nur wir Europäer – es getan haben. Inzwischen haben wir nachgeforscht und festgestellt, dass es tatsächlich einen überlieferten Ausspruch (Hadith) des Propheten Mohammed gibt.
Dieser Ausspruch soll an das Ende unseres Berichts gestellt sein – gleichsam als Beleg dafür, dass das Pflanzen von Bäumen in der Wüste nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern auch die Kulturen verbindend ist:
“Kein Muslim wird einen Baum einpflanzen oder die Saat in die Erde senken, wovon Vögel, Menschen oder Tiere verzehren, ohne dass er dafür (von Allah) den Lohn eines Almosens (Sadaqah) erhalten wird.” (Sahih Al-Bukhari Hadith Nr.2195)
Friedl und Hermann Becke
Hier gibt es weitere Fotos:
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